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Hirschdirndl
Am Gutshof der Hirschkönigin
Das Geweih für die Dame, oder wie sich
meine Frau Birgit ein Dirndl verdient hat.
„Das macht die nie!“ , dachte ich, als mir
Sylwia Dyczka diesen Deal vorschlug.
Ich soll ihre neue Haute Couture-Tracht
fotografieren und meine Frau bekommt
dafür ein Dirndl. Das sollte natürlich soweit
kein Problem sein, jedoch als Hindernis
kündigten sich die Details dieser Vereinbar-
ung an. Meine Frau Birgit war als Model
vorgesehen und soll beim Shooting ein
Geweih tragen. „Ha… lustig… aber leider
unmöglich.“, dachte ich. Doch was könnte
bestechender auf Frauen wirken, als die
Aussicht auf ein wunderschönes Kleid.
Bevor wir die Modemacherin persönlich
kennenlernten, fiel ihr Name bei meinen
Hochzeitsshootings, denn so manche Braut
ließ sich von der zierlichen Polin das Hoch-
zeitskleid schneidern.
Der polnische Ur-Großvater war Schneider-
meister und schöne Stoffe liebt Sylwia
Dyczka seit sie denken kann. Nach der
Schneiderlehre hat sie in Schneeberg bei
Zwickau angewandte Kunst studiert und
sich eine kleine aber feine Modeschmiede
in Cham aufgebaut. Auf dem Dachboden
der Eltern entsteht in Handarbeit alles ,
was die Damen glücklich macht. Wir lern-
ten uns bei meiner Fotoausstellung kennen
und als das Projekt Haute Couture-Dirndl
an Fahrt gewann, informierte mich Sylwia
über viele Details der neuen Kreation.
Der dunkelrote Stoff mit goldbarockem
Stickdekor macht aus der Trägerin eine
holde Edeldame. Eine Wald und Wiesen-
Kulisse als mögliche Shootingumgebung
schien mir da nicht geeignet und extra ein
Schloss für die Fotos anzumieten würde
das Budget sprengen. Ich machte mich
also auf die Suche.
Beim ersten Maßnehmen wurde dann
meiner Frau klar worauf sie sich da einge-
lassen hat. Das Zentimetermaß, ein natür-
liche Feind der Damen,
brachte die Tatsachen ans Licht. 90-60-90
knapp verfehlt, aber dafür noch unter 50
freilich nur die Lebensjahre… nicht das Ge-
wicht. Für mich natürlich die schönste Frau
der Welt begann bei meinem Schatz der
Zweifel zu nagen. Da braucht es viel Zu-
spruch und weil mir die Idee immer besser
gefiel auch Überredungsgeschick.
Mit dem Gutshof der Familie Schmid in
Simpering hatte sich mittlerweile auch eine
passende Kulisse ergeben, die ich von vie-
len Hochzeiten kannte. Der Gewölbesaal ist
spektakulär, funkelnde Kronleuchter und
ein imposanter Thron gehören zum Inven-
tar. Die perfekt Kulisse also und Sylwia
Dyczka ließ mir da freie Hand. Sie schätzt
es auch wenn Kundinnen ihr vertrauen und
sie eigene Vorstellungen kompromisslos
umsetzten darf. Frisur und Makeup hat die
Modemacherin früher selber gemacht.
So etwas überlässt Sie jetzt auch den Profis.
Bevor ich meine Frau vor die Linse bekam,
wurde sie bei Kerstin Pfeilschifter im H1
frisiert und geschminkt. Ich hatte zwischen-
zeitlich den Saal vorbereitet. Bildideen im
Kopf sind nicht immer identisch mit den
Ergebnissen. Es ist leicht sich etwas auszu-
malen, aber ob es sich umsetzen lässt,
zeigt sich erst beim tatsächlichen Probier-
en. Es ist das erste Dirndl, das meiner Frau
auf den Leib geschneidert wurde.
Schon nach den ersten Anproben war sie
vom Tragegefühl begeistert. In Simpering
war ihr strahlendes Lächeln nicht mehr
wegzukriegen, auch nicht, als ihr die Mode-
designerin das angekündigte Hirschgeweih
aufsetzte. Was ich erst für einen kleinen
Gag hielt, gab den Bildern eine besondere
Note. Heidis Models haben schon verrück-
tere Sachen gemacht.
Die aufgestellte Spitze am Kragen der Blu-
se ist eine Anlehnung an historische Ren-
aissancemode. Verspielte Details auch an
den Ärmelenden und den Spitzensöck-
chen. Fast zu schade für das Bierzelt,
denn unter der Bierbank sieht vermutlich
keiner die kleinen Goldperlen, die Sylwia
Dyczka in Handarbeit liebevolle ange-
bracht hat.
Rock und Mieder sind überbordend mit
raffinierten Details bedacht. Hinter der
aufgesetzten Schnürung fallen feine
Metallketten vom Dekolleté. Mit „Finger
weg“ könnte „Mann“ dieses „Kettenhemd“
interpretieren, dennoch wirkt es sehr
anziehend. Besonders hebt die Modede-
signerin den besonderen Schnitt hervor,
den sie selber entwickelt hat und der den
Kundinnen einen außergewöhnlichen Tra-
gekomfort beschert. Der Kopfschmuck,
das ausladende Geweih ist eine Prototyp
aus der „Mondhirsch- Werkstatt“.
Federleicht ist es und aus Stoff genäht,
damit Annäherungsversuche nicht im
Krankenhaus enden. Bleibt abzuwarten
wann die Damen der Royal Society die
Hörner für sich entdecken und in Ascot
Geweihe aus Cham zur Schau tragen.
Christine Ott stellte den Schmuck zusam-
men, der das Dirndl perfekt ergänzte und
mit goldigen Krönchen wunderbar zum
Thema passte.
Behalten darf meine Frau darf das Pracht-
dirndl übrigens nicht. Das wird Ausstell-
ungsstück bleiben. Ausleihen vielleicht,
zum Volksfest oder auf die Münchner Wie-
sen. Das was sie eigentlich gar nicht mag,
im Mittelpunkt zu stehen und die Blicke
auf sich zu ziehen, ist damit natürlich ga-
rantiert. Als Honorierung hat Sylwia Dyczka
ein schlichteres Dirndl in den Wunschfar-
ben meiner Frau genäht. Dirndl auf Maß
von „Mondhirschtracht“ gibt es ab 500€.